LKW-Fahrer? Respekt!

Für jemanden wie mich, der niemals auf einem LKW gesessen hat, ist die Firma Fahrerkonzept in Bremen-Brinkum genau der richtige Ort, um es mal auszuprobieren. Hier werden Fahrer ausgebildet, und dafür gibt es neben den realen Fahrstunden auf der Straße einen LKW-Simulator.

Die Probestunde beginnt. Geschäftsführer und Ausbildungsleiter Gerd Wemken stellt das Programm ein, ich fahre einen Gliederzug. Zunächst einmal ist alles halbwegs vertraut im Cockpit; Startknopf, Automatik, Handbremse und Armaturen sind ähnlich wie in einem PKW. Doch dann sind da die drei großen Bildschirme, die einen möglichst realistischen Eindruck wie in einer LKW-Fahrerkabine vermitteln sollen. Und das tun sie.

Der Simulator wird eingesetzt bei der Führerscheinausbildung in den Klassen C/CE und in der beschleunigten Grundqualifikation nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz. Führerscheininhaber, die nach dem 1.1.1999 ihre Fahrberechtigung bis 3,5 t, in Regel Klasse B, erworben haben, müssen diese beschleunigte Grundqualifikation durchlaufen und eine Prüfung vor der IHK ablegen. Gesetzlich vorgeschrieben sind 140 Stunden Ausbildung, wovon 10 Stunden praktisch auf dem LKW und dem Simulator abgelegt werden können. Alle anderen, die eine Fahrberechtigung über 3,5 t vor dem 10.9.2009 erworben haben, sind sogenannte Besitzstandswahrer und benötigen nur eine Weiterbildung von 35 Stunden, ohne eine Prüfung abzulegen.

Ich blicke in den rechten Spiegel, der LKW mit seinem Anhänger ist ziemlich lang und breit. Also gut, Motor starten, Handbremse lösen, langsam Gas geben. Erstmal geradeaus fahren und nicht an den Bordstein kommen, heißt die Herausforderung. Rote Ampel in Sicht, langsam an den Stoppstreifen heranfahren, gleich rechts abbiegen. Grün, weiter geht es, doch der Lenkeinschlag war zu früh, der Anhänger fährt über den Bordstein, der Fahrersitz rüttelt, Reifenquietschen ist zu hören. Der Simulator meckert, der Ausbildungsleiter gibt einen Tipp: „Sie müssen einen größeren Bogen fahren“, sagt Wemken. Ich sollte auf den Fahrlehrer hören. Mittlerweile ist es ein völlig anderes Fahrgefühl als in einem PKW.

Wer Berufskraftfahrer werden will, kann nicht einfach in eine Fahrschule gehen und sich anmelden. Wemken wünscht sich eine etwas vereinfachte Verwaltung. „Wer einen Antrag auf Führerscheinausbildung stellen will, sollte doch nur eine Anlaufstelle haben, und die Wahl des Prüfungsortes sollte dem Bewerber obliegen.“ Die beschleunigte Grundqualifikation kostet etwa 2.500 EUR. Die Kosten der Führerscheinausbildung in den Klassen C und CE kommen hinzu und betragen, je nach Talent, etwa zwischen 3.500 und 4.500 EUR. Kommen weitere Ausbildungsgänge wie Wechselbrückentraining, Gabelstapler und Kranschein sowie die Gefahrgutfahrerausbildung hinzu, kann man schon auf 7.000 bis 10.000 EUR kommen.

Obwohl ich nur in einem Simulator sitze, wird mir schnell klar, dass LKW-Fahren kein Kinderspiel ist. Es ist Stress, die Hände werden feucht. Und das, obwohl die Witterungsverhältnisse optimal sind – sonnig und trocken. Nicht auszudenken, wenn das Simulatorprogramm auf schneeglatte Straße bei Nacht eingestellt wäre. Der LKW nähert sich einer T-Kreuzung, wieder rechts abbiegen lautet die Anweisung. Diesmal rumpelt der Anhänger nicht über den Bordstein. Zumindest das hat schon mal geklappt.

Die Transportwirtschaft leidet unter dem Fahrermangel. „Jedes Jahr steigt in Deutschland der Fehlbestand an Berufskraftfahrern um 35.000“, sagt Geschäftsführer Ulrich Burgath. Unternehmen versuchten, dies mit Personal aus dem Ausland auszugleichen – in der Regel aus Osteuropa. Das allein werde aber auf lange Sicht nicht ausreichen, um das Problem in den Griff zu bekommen. „Es gibt zu wenige junge Menschen, die Fahrer werden wollen.“ Zu groß scheinen für viele die Nachteile zu sein: unregelmäßige Arbeitszeiten, Abwesenheit vom Heimatort und zu geringe Bezahlung. Hinzu kommt ein schlechtes Image des Berufsbildes, das die Attraktivität weiter schmälert. Weiteres Problem: „Es gibt auch einen Mangel an Fahrlehrern“, sagt Burgath. Ein Teil der Ausbildung kann am Simulator erfolgen, aber der ersetzt natürlich nicht gänzlich die praktische Erfahrung auf der realen Straße.

Meine Fahrt geht durch ein Wohnviertel in Bremen. Ein Kind kreuzt die Straße. Die Fahrspur ist eng, man muss permanent darauf achten, nicht zu nah an den Bordstein zu kommen oder die Mittellinie zu überfahren. „Nutzen Sie die Außenspiegel“, mahnt das Programm, wenn man zu stark vom Kurs abkommt. Mein Respekt für diesen Beruf wird mit jeder Minute hinter dem Steuer größer. Der Job erfordert viel Geschick, Umsicht und Können.

Dem Fahrermangel entgegenzuwirken, wird für die Transportbranche in den kommenden Jahren nicht leicht. Im autonomen Fahren oder Platooning sieht Burgath kein Potenzial, mit weniger Fahrern auszukommen. Vielmehr seien die Unternehmer in der Pflicht: „Sie müssen mehr in die Ausbildung investieren und sich um die Fahrer gerade am Anfang ihrer Tätigkeit intensiv kümmern“, betont Burgath. Doch in der Praxis würden viele Unternehmer neue Fahrer ohne große Einweisung auf den LKW setzen und sich mehr oder weniger selbst überlassen.

Außerdem müsse das Berufsbild attraktiver werden. Das ließe sich beispielsweise durch eine bessere Transportorganisation erreichen, meint Burgath. Ein Ansatz sei der Zweischichtbetrieb, bei dem Fahrer auf dem LKW getauscht werden. So müssten zum einen LKW nicht wegen Pausenzeiten der Fahrer stehen bleiben, und zum anderen könnten die Fahrer abends wieder zu Hause sein. „Doch außer in großen Netzen oder vereinzelt bei großen Unternehmen findet eine solche Transportplanung selten statt“, weiß Burgath. Modifizierbare Arbeitszeitmodelle und leistungsgerechte Bezahlung sind für ihn Schlüssel zu einer erfolgreichen Personalstrategie. Burgath plädiert ferner für ein integriertes Konzept, das die Planung ebenso einschließt wie die Suche und Auswahl des Personals sowie ein Einsatztraining und Weiterbildung beinhaltet.

Meine letzte Aufgabe im Simulator ist, rückwärts mit Anhänger an ein Verladetor heranzufahren. Ich brauche drei Versuche, bremse dann aber zu spät und stoße an die Rampe. Wäre es eine Prüfung: durchgefallen.

Motor aus, Handbremse, Hände abwischen, Feierabend. Von nun an sehe ich den Fahrerberuf mit anderen Augen.

Förderung

Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) fördert Ausbildungsverhältnisse zum Berufskraftfahrer, nicht aber die Führerscheinausbildung der Klassen C/CE oder der beschleunigten Grundqualifikation. Weiterbildungen fördert das BAG nur, wenn es nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, also keinen C/CE-Führerschein, keine Module nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz sowie die Aus- oder Fortbildung nach Gefahrgutrecht.

Die Agentur für Arbeit und die Jobcenter und kommunalen Einrichtungen fördern die Weiterbildungen über die Ausgabe von Bildungsgutscheinen. Berufsgenossenschaften fördern bei Bedarf.

Quelle dieses Artikels klick hier : DVZ