Studie: Bedingungen für Lkw-Fahrer gehören zu Auftraggeber-Verantwortung

Die Hans-Böckler-Stiftung hat untersucht, welche Auswirkungen die EU-Lieferkettenrichtlinie auf die Situation von Lkw-Fahrern auf deutschen Straßen haben könnte. Aktuell sei diese für das oft für Subunternehmer tätige Personal etwa aus Polen, Tschechien und Rumänien kritisch.

Unternehmen müssen nicht nur die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern im Auge haben, sondern auch den Gütertransport. Die neue EU-Lieferkettenrichtlinie kann dafür Impulse geben. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie, teilt die Hans-Böckler-Stiftung mit. Die Arbeitsbedingungen im Gütertransport gehörten auch zur Unternehmensverantwortung.

Veronique Helwing-Hentschel, Martin Franz und Philip Verfürth von der Universität Osnabrück haben in einem von der Stiftung geförderten Forschungsprojekt aktuelle Entwicklungen in der Logistikbranche untersucht. Sie analysierten unter anderem, inwieweit das seit 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und die vor dem Inkrafttreten stehende Lieferkettenrichtlinie der EU (CSDDD) helfen können, Verstöße gegen grundlegende Beschäftigtenrechte zu unterbinden.

„Ausbeuterische und teilweise gegen Menschenrechte verstoßende Praktiken“ finden sich auch ganz in der Nähe: auf der nächsten Autobahn, so die Forschenden in ihrer Studie. Nur knapp die Hälfte der Transportleistungen wird von in Deutschland ansässigen Unternehmen erbracht, erläutert die Hans-Böckler-Stiftung die aktuelle Situation weiter. Vor 15 Jahren waren es demnach noch 64 Prozent. Lkw-Fahrer, die auf unseren Straßen unterwegs sind, stammen demnach oft aus Polen, Tschechien, Rumänien, Litauen oder aus Ländern außerhalb der EU. Die Löhne sind niedrig, die Arbeitsbelastung ist hoch.

In der Branche herrschen großer Wettbewerbs- und Kostendruck. Die Digitalisierung habe vieles verändert, Beispiele sind die Auftragsvergabe über Plattformen oder die Echtzeitverfolgung von Lieferungen, so die Stiftung weiter. Große Spediteure geben Aufträge häufig an Subunternehmen weiter, die sie teilweise abermals weiterreichen.

Verstöße gegen Arbeits- und Sozialstandards sind besonders in Subunternehmensbeziehungen an der Tagesordnung, so die Forschenden der Studie. Die Internationalisierung habe auch damit zu tun, dass sich deutsche Firmen schwertun, Personal zu finden.

Im vergangenen Jahr in Erinnerung geblieben sind sicher die zwei Protestaktionen von Lkw-Fahrern in Deutschland an der Raststätte Gräfenhausen, die öffentliche Aufmerksamkeit erzielten. Neben der Gewerkschaft Ver.di trat auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf den Plan, um Ansprüche der Beschäftigten durchzusetzen und eine Einigung für die Fahrer zu erzielen, so die Stiftung.

Dies war „einer der ersten Anwendungsfälle des LkSG in der Logistik“, so Veronique Helwing-Hentschel, – denn das BAFA ist für die Kontrolle und Durchsetzung des Lieferkettengesetzes zuständig. Die Behörde durchforstete unter anderem Hunderte von Frachtbriefen und anderen Dokumenten.

Allerdings zeigte sich bald, dass „die Konsequenzen für Unternehmen seit der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bislang relativ gering ausfielen“, so die Forschenden. Ändern könnte sich dies, wenn das Gesetz nach den Vorgaben der neuen EU-Richtlinie angepasst wird. Vor allem aus zwei Gründen: Erstens müssen Unternehmen dann auch mittelbare Geschäftspartner – etwa Subunternehmen – proaktiv auf die Einhaltung von Standards überprüfen. Zweitens können Verstöße dann mit schärferen Sanktionen geahndet werden.

Dies dürfte Unternehmen dazu veranlassen, für mehr Transparenz in den Transportlieferketten zu sorgen, erwarten Helwing-Hentschel, Franz und Verfürth. Dazu könnten auch ohnehin aufgezeichnete Daten verwendet werden, die etwa Aufschluss über die Einhaltung von Ruhezeiten geben. Dabei sei ein sensibler Umgang mit personenbezogenen Daten wichtig, betonen die Forschenden. Zudem bedürfe es „einer Verschlankung der bisher sehr aufwendigen behördlichen Vorgänge zur Feststellung von Regelverstößen im internationalen Straßengütertransport“.

Weiterhin bräuchten Lkw-Fahrer eine bessere Versorgungsinfrastruktur, um etwa die seit 2022 verbotene, aber dennoch häufig praktizierte und wenig erholsame Übernachtung in der Fahrerkabine auf der Autobahnraststätte zu unterbinden. Schließlich plädieren die Forschenden für den Auf- oder Ausbau von – beispielsweise gewerkschaftlichen – Beratungsinfrastrukturen.

„Die Studie zeigt uns drastisch, wie wichtig es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Transportlogistik ist, dass Deutschland die EU-Lieferkettenrichtlinie umsetzt. Und zwar je schneller, desto besser“, so Christina Schildmann, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung bei der Stiftung.

Die Studie „Sorgfaltspflicht in Transportlieferketten: Gesamte Lieferkette in den Blick nehmen,
Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 343, Juli 2024″ finden Interessierte hier auf den Seiten der Stiftung.

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