Lang-Lkw und schwerere Nutzfahrzeuge werden demnächst nicht auf Deutschlands Straßen fahren dürfen. Wie die Bundesregierung ihre Entscheidung begründet, hat die Redaktion der VerkehrsRundschau beim Bundesverkehrsministerium nachgefragt.
Anfang August beschloss die Bundesregierung, dem Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der EU-Richtlinie über Maße und Gewichte schwerer Nutzfahrzeuge nicht zustimmen. Begründet hatten die Politiker ihre Entscheidung aufgrund de4r fehlenden oder nicht ausreichenden Infrastruktur für schwerere Nutzfahrzeuge. Mit anderen Worten: Vor allem die Brücken in Deutschland könnten eine höhere Last von schwereren Lkw nicht tragen. Dies beinhaltet jedoch nicht nur eine Entscheidung gegen Lang-Lkw sondern auch gegen alle anderen Modelle, die mehr als 12,5 Tonnen Achsenlast vorweisen: Beispielsweise elektrische Lkw, für die die Hersteller schon länger eine Erhöhung des Gesamtgewichts um vier Tonnen plädieren.
Einer Anhebung der Fahrzeughöhe von 4 auf 4,30 Meter könne ebenfalls nicht zugestimmt werden, da weder Tunnel inklusive technischer Einrichtungen, wie beispielsweise Lüfter, noch Brückendurchfahrten für derartige Fahrzeughöhen ausgelegt seien. Dies beträfe sowohl das Bundesfernstraßennetz als auch im besonderen Maße das nachgeordnete Straßennetz, heißt es in der Begründung.
Aufgrund der Auswirkungen, die diese Entscheidung auf die deutschen Transportunternehmen und Speditionen hat, hat die VerkehrsRundschau nochmal genauer beim Bundesverkehrsministerium nachgehakt und wollte wissen:
In den Ausführungen heißt es: „Insbesondere können die höheren Achslasten mit bis zu 12,5 Tonnen und ein um 4 Tonnen höheres Gesamtgewicht für emissionsfreie Fahrzeuge aus infrastrukturellen Gründen nicht mitgetragen werden. Mit der Ausweitung der Gewichte würde massiv in das Sicherheitsniveau der Brücken mit schwerwiegenden Auswirkungen eingegriffen werden.“ Welche Auswirkungen meinen Sie konkret? Wären beispielsweise Brückensperrungen nötig?
BMDV: Verkehrssicherheit hat für das BMDV oberste Priorität.
Die geplante Erhöhung der zulässigen Fahrzeuggewichte um 4 Tonnen führt – bei einem höheren Anteil dieser Fahrzeuge – zu einem Anstieg des mittleren Verkehrsgewichts. Damit würden die Bauwerksbeanspruchungen insbesondere für viele ältere Bestandsbrücken, die für diese hohen Beanspruchungen nicht ausgelegt wurden, überproportional wachsen. Die Bauwerke liefen Gefahr, überlastet und außerhalb definierter Sicherheitsbestimmungen betrieben zu werden. Notwendige verkehrliche Einschränkungen wären die Folgen. Darüber hinaus treten aufgrund einer permanent hohen Auslastung Alterung und Verschleiß der Tragwerke beschleunigt ein, was Erhaltungsmaßnahmen in kürzeren Zyklen erforderlich macht und entsprechende Auswirkungen, wie Verkehrsbehinderungen und erhöhte Erhaltungskosten, nach sich zieht.
Warum reicht es Ihrer Ansicht nach nicht aus, gefährdete Streckenabschnitte mit maximal 42 Tonnen Gesamtgewicht auszuschildern?
Elektrisch angetriebene Lkw dürfen schon heute 42 Tonnen regulär wiegen. Warum machen zwei Tonnen Mehrgewicht einen so großen Unterschied?
Mehr als die Hälfte der Brücken im Bundesfernstraßennetz, in Landes- und Kommunalstraßen in noch weit größerer Anzahl, stammen aus den 1960 bis 1980 Jahren und wurden seinerzeit für deutlich geringere Verkehrsbeanspruchungen ausgelegt. Sie sind über das gesamte klassifizierte Straßennetz verteilt, weshalb alle klassifizierten Strecken betroffen sind. Seit ihrer Errichtung ist ein überproportionaler Anstieg des Schwerverkehrs in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere im Transitverkehr zu verzeichnen. Die Bauwerke sind in der Zwischenzeit gealtert, weisen bauzeitliche Schäden auf und erfordern hohe Erhaltungsaufwendungen.
Die Bauwerke sind bereits unter den aktuellen Verkehrsbeanspruchungen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen hoch ausgelastet. Stiege das Verkehrsgewicht weiter an, stiegen auch die Bauwerksbeanspruchungen überproportional an. Dies brächte Gefahr einer Überlastung mit sich. Im schlimmsten Fall hätte dies nicht nur zusätzliche Erhaltungsaufwendungen, sondern auch Sperrungen zur Folge.
Dabei kommt es nicht auf das einzelne Fahrzeug an, sondern auf die Menge der Fahrzeuge. Außerdem ist zu beachten, dass insbesondere falsches Beladen der Fahrzeuge oder gar Überladungen Schäden verursachen können und daher unbedingt zu vermeiden sind. Wir setzten uns daher für europaweite Achslastkontrollen ein. Solange hierfür keine Gewähr durch entsprechende Kontrollen gegeben werden kann, sind keine weiteren pauschalen Erhöhungen der Fahrzeuggewichte gegenüber den derzeitigen Regelungen verantwortbar.
Bei einem E-Lkw wiegen die Batterien je nach Hersteller und Größe bis zu sechs Tonnen. Wie steht das Ministerium der These gegenüber, dass E-Lkw noch mehr an Attraktivität einbüßen, wenn sie künftig weniger Nutzlast als andere Fahrzeuge transportieren dürfen?
Die fahrzeugtechnischen Vorgaben für ein Fahrzeug oder eine Fahrzeugkombination müssen den verkehrssicheren Betrieb auf der Straße sicherstellen. Faktoren, die hier maßgeblich sind, sind die national umzusetzenden europäischen Vorgaben und die Belastungsfähigkeit der (nationalen) Infrastruktur, wobei die Infrastruktur keinen Unterschied beim Antriebskonzept macht, wenn das Gewicht der Fahrzeuge identisch ist.
Welche Mittel oder Wege wollen Sie nutzen, um den Vorschlag der EU-Kommission abzuändern oder zu verhindern? Darf Deutschland die Richtlinie – sollte sie so in dieser Form rechtsgültig werden – so auslegen, dass E-Lkw im nationalen Verkehrsnetz nur 42 Tonnen Gesamtgewicht haben dürfen?
Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Richtlinie über höchstzulässige Abmessungen und Gewichte von bestimmten Straßenfahrzeugen (RL 96/53/EG) wird schon seit geraumer Zeit im Kreise der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel diskutiert. Hierbei hat sich gezeigt, dass einige EU-Mitgliedsstaaten Änderungsbedarf sehen, u.a. auch Deutschland. Trotz intensiver Beratungen in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe Landverkehr konnten sich die EU-Mitgliedstaaten bislang nicht auf eine Ratsposition einigen. Der Ausgang des Gesetzgebungsvorhabens ist noch offen. Daher können zurzeit keine Prognosen zu etwaigen Auslegungsfragen getroffen werden. Falls das Gesetzgebungsvorhaben durch die amtierende ungarische EU-Ratspräsidentschaft wieder aufgegriffen werden sollte, wird das für das Dossier federführende BMDV wie gewohnt die Haltung Deutschlands mit den betroffenen Ressorts abstimmen und sich weiterhin eng mit den EU-Partnern austauschen.