In der Logistik-Branche fehlt der Nachwuchs. Zu viele Berufskraftfahrer gehen in Rente, zu wenige Auszubildende kommen nach. Spediteur Peter Bassen hat eine Idee, wie sich daran etwas ändern könnte.
Pro Jahr gehen in Deutschland etwa 30.000 Berufskraftfahrer in Rente. Nur knapp die Hälfte wird durch Berufseinsteiger ersetzt. Wie kommt solch ein Missverhältnis zustande?
Peter Bassen: Die Zahlen sind eher noch untertrieben. Viele Fahrer hören bereits vor dem gesetzlich ausgeschriebenen Renteneintrittsalter auf. Das liegt unter anderem daran, dass die alte Generation sehr früh in dem Beruf begonnen und ihre 45 Beitragsjahre somit schon eher voll hat. Zudem haben viele Kreislauf- und Rückenerkrankungen. Heute sind Vorerkrankungen kein Thema mehr, aber vor 30 oder 40 Jahren saßen die Fahrer auf Sitzen, die jedes Schlagloch mitnahmen. In meinem Betrieb gibt es allein drei Fahrer, die noch fünf Jahre bis zur Rente hätten, aber vorzeitig aufhören.
Woran liegt es, dass es so wenig Nachwuchs gibt?
Früher war es einfacher, Nachwuchs zu finden. Viele junge Männer hatten über die Bundeswehr ihren Lkw-Führerschein gemacht. Das war damals noch ausschlaggebend, um diesen Beruf zu ergreifen. Heute sieht das anders aus: Die Bundeswehr bildet kaum noch Leute aus, Wehrdienstleistende gibt es nicht mehr. Seit 2009 gibt es zudem das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz. Alle Berufsanfänger ab 21 Jahren müssen seitdem 140 Stunden Unterricht mit theoretischer und praktischer Prüfung ableisten. Bei den unter 21-Jährigen liegt die Zahl noch höher. Das ist für einen Quereinsteiger ein hoher Kostenfaktor, den kaum einer aus der eigenen Tasche bezahlen kann. Hinzu kommen Herausforderungen, was die Entlade- und Ladestellen betrifft.
Inwiefern?
Die Verladerkunden (Anm. d. Red.: Ein Unternehmen, das den Transport in Auftrag gibt) sehen es bis heute immer noch nicht, dass die Fahrer Menschen sind. Sie werden häufig an den Ladestellen nicht vernünftig behandelt. Es heißt: „Stell den Lkw da in die Ecke, sieh zu wie du da hinkommst, pack mit an.“ Und dann noch die Wartezeiten an den Rampen von den Zentrallagern – da steht der Fahrer sich die Reifen in die Felge. Die Akzeptanz des Berufs ist im Allgemeinen schlecht, die Arbeit wird nicht ausreichend gewürdigt. Dabei boomt das Geschäft. Die Paketdienste brechen aus allen Nähten. Doch es fehlen die Fahrer für die Lkws.
Machen sich die Nachwuchssorgen auch bei Ihnen bemerkbar?
Wir haben extremen Fahrermangel. Seit Anfang des Jahres sind bei uns durchweg vier bis fünf Lkws nur in der Nacht unterwegs, sie werden am Tag nicht bewegt. Uns fehlen sechs Fahrer – mindestens. Bei den Auszubildenden ist es ähnlich. Der Bedarf ist da. Aktuell haben wir zwei junge Leute im zweiten Ausbildungsjahr. Im August haben wir zwei neue eingestellt, die aber nach sechs Wochen das Handtuch geschmissen haben. Früh aufstehen und in der Werkstatt zu arbeiten, das passte denen nicht. Es ist einfach schwer, junge Leute heranzuziehen.
Haben junge Menschen möglicherweise die Sorge, dass ihnen durch das Autonome Fahren die Zukunftsperspektive verloren gehen könnte?
Selbst wenn das Autonome Fahren einmal kommen sollte, wird spätestens nach dem Abfahren von der der Autobahn ein Fahrer benötigt. Das Fahren auf Landstraßen und im Stadtverkehr wird mit diesem System nicht funktionieren. Dazu kommt die individuelle Kundenanbindung. Auf Betriebshöfe muss der Fahrer hinauffahren, rangieren, vor Ort Absprachen treffen. Der Beruf wird nicht aussterben, er wird sich verändern.
Spielt das Gehalt auch eine Rolle?
Das ist ein weiterer Aspekt, der sich auch beim Thema Kundschaft wiederfindet. Die Kunden haben es noch nicht verstanden, dass die Anzahl der Fahrer weniger wird. Wenn nicht schnell von allen akzeptiert wird, dass die Fahrer mehr Geld bekommen, kommt bald keine Ware mehr an. Allgemein aber steigen die Löhne. Alle Fahrer verdienen heute mehr als noch vor fünf Jahren. Zum Bruttogehalt kommen Spesen von zwölf Euro pro Tag, im Fernverkehr sogar das Doppelte. Dazu noch die Nachtzulage. Der zusätzliche Nettobereich liegt somit etwa zwischen 300 und 600 Euro.
Was spricht außerdem für eine Ausbildung zum Berufskraftwagenfahrer?
Der Job ist interessant und abwechslungsreich. Natürlich kommt es darauf an, ob ich in die Ferne oder nur um den Kirchturm fahren will. Wenn ich in die Ferne möchte, kann ich mir beim Fahren die Welt angucken – auch wenn es mit Staus verbunden ist. Generell ist dieser Beruf interessant, ich komme mit Leuten aus aller Welt zusammen. Jede Tour ist anders. Zudem bin ich in meinem Lkw mein eigener Herr. Der Chef sitzt nicht hinter mir, guckt mir nicht über die Schulter. Ich entscheide selber, was ich tue, ich kann selber planen. Wenn jemand Interesse an dem Job und den passenden Führerschein hat, ist das eine Jobgarantie. Grundsätzlich spricht mehr dafür als dagegen.
Könnten die Nachwuchsprobleme mit dem Lkw-Führerschein ab 17 Jahren gelöst werden?
Lösen wird es das Problem nicht. Die Idee ist, die jungen Leute, die nach der neunten und zehnten Klasse von der Schule abgehen, in die Ausbildung zu bekommen. Nach dem Gesetz dürfen die erst mit 21 Jahren den Lkw-Führerschein machen. In der Ausbildung zwar schon mit 18. Aber die meisten, die an dem Beruf interessiert sind, kommen nicht erst mit 18 von der Schule, sondern schon mit 16. Was sollen die in den zwei Jahren machen? Bis sie alt genug sind, haben sie dann vielleicht schon etwas Anderes gewählt, wo sie sofort anfangen können. Wenn dieses Jahr vorgezogen wird, dann wissen sie, dass sie nicht erst zwei Jahre in der Werkstatt sitzen, wo sie wenig mit dem Beruf zu tun haben werden. Stattdessen können sie mit auf den Lkw und von einem erfahrenen Kollegen begleitet fahren.