„Blanke Existenzwut auf der Straße“

Gemeinsam mit den Bauern demonstrieren auch Speditionen. Förderprogramme für den klimafreundlichen Umbau der Branche wurden gestrichen und hohe Abgaben nicht reinvestiert. Das gehe laut Verband an die Existenz der Mittelständler.

Tausende Traktoren versammelten sich am Montag vor dem Brandenburger Tor, um gegen die Streichung der Subventionen für Agrardiesel zu demonstrieren. Aber nicht nur Landwirte sind unter den Demonstrierenden – auch Lkw-Fahrer und Spediteure haben sich angeschlossen. Der Grund? Auch auf sie kommen durch die Politik der Bundesregierung neue Kosten zu.

Gestiegene Dieselkosten, CO2-Abgaben und fehlende Investitionen sind nur ein Teil dessen, was die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer in den vergangenen Tagen auf die Straße trieb. Ihre Wut reicht noch weiter.

Doppelbelastung für Speditionen

Konkret geht es den Speditionen darum, dass die Lkw-Maut seit 1. Dezember 2023 an den CO2-Ausstoß gekoppelt ist. Je höher also die Emissionen eines Lastwagens, desto höher auch die Kosten für die Maut. 200 Euro werden pro Tonne CO2 fällig. So soll der Umstieg auf klimaneutrale Fahrzeuge angekurbelt werden. Eine Doppelbelastung sollte aber laut Koalitionsvertrag ausgeschlossen werden.

Laut dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr sollen die Einnahmen aus der CO2-Maut von 2024 bis 2027 mehr als 30 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. 15 Milliarden Euro sollen allein 2024 anfallen.

Quotation Mark


Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen, unter der Bedingung, eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen. Wir werden die Mehreinnahmen für Mobilität einsetzen.


Aus dem Koalitionsvertrag


Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) kritisiert nun aber genau diese Doppelbelastung, die für die Speditionen durch die zusätzlich höheren Dieselpreise entsteht: „Die Mittelständler werden komplett alleingelassen mit der Mammutaufgabe des Klimaschutzes“, sagt Jens Pawlowski, Leiter des Hauptstadtbüros des BGL, im Gespräch mit t-online.

Seit die CO2-Maut im Raum stand, sei der BGL in ständigem Kontakt mit der Regierung gewesen, „ohne Erfolg“, wie Pawlowski sagt. Das Gesetz sei eins zu eins im Parlament durchgewunken worden, ohne die Bedenken der BGL zu berücksichtigen.

CO2-Maut wird nicht in die Branche reinvestiert

Die BGL selbst sei für die CO2-Maut gewesen, aber nicht so, wie sie nun umgesetzt wurde. Ursprünglich sollte das eingenommene Geld reinvestiert werden – unter anderem in Förderprogramme, die es den Unternehmen ermöglichen würden, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen. Diese wurden im zweiten Entwurf des Bundeshaushalts aber gestrichen. „Das Geld wird genutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen und Schienenprojekte in der fernen Zukunft zu zahlen, aber nicht, um in den Umbau der Branche zu investieren“, kritisiert Pawlowski. „Am Ende zahlt die Branche über sieben Milliarden Euro jedes Jahr zusätzlich und bekommt davon nichts zurück.“

Bis 2030 soll ein Drittel des Güterverkehrs auf der Straße elektrisch sein. Von den 800.000 Lkw, die täglich auf deutschen Straßen unterwegs sind, seien bislang nur 400 elektrisch. Das liege auch an den Preisen: Die Kosten für einen klimafreundlichen Lkw seien zwei- bis dreimal höher als für einen herkömmlichen Lkw. „Das kann sich kein Mittelständler aus den Rippen schneiden“, sagt Pawlowski.

Dazu kämen aber weitere Probleme: Die Infrastruktur für elektrische Lastwagen sei nicht gegeben. Es fehle überall an Ladestellen und sogenannten Mega-Chargern, um die großen Fahrzeuge schnell zu laden. Transformatoren auf den Betriebshöfen könnten die Unternehmen schnell eine halbe Million Euro kosten. „Die Regierung verliert den Fokus und unterstützt den Mittelstand nicht.“ Ohne entsprechende Förderprogramme sei der klimafreundliche Umbau der Branche für die Mittelständler nicht leistbar, sagt Pawlowski.

„So stirbt der Mittelstand aus“

Die BGL vertritt mehrheitlich kleine mittelständische Unternehmen, und gerade diese hätten eine schlechte Verhandlungsposition. Als Dienstleister könnten sie die höheren Kosten zwar weiterreichen an die Auftraggeber, doch auch diese würden sie nicht tragen wollen und wichen dann auf günstigere Anbieter aus. Beispielsweise aus Osteuropa, wo die Preise für Lkw-Diesel niedriger sind. „Die Unternehmer bleiben also auf den Kosten sitzen. Das ist unverantwortlich, denn so stirbt der Mittelstand aus“, sagt Pawlowski.

Doch dem BGL geht es um mehr: Laut Pawlowski fehlten 40.000 Lkw-Stellplätze, an denen die Fahrerinnen und Fahrer Pausen machen können. Auch die Toilettenanlagen an unbewirtschafteten Raststätten müssten verbessert werden. Bei langen Fahrten waschen sich die Beschäftigten in den oft kleinen und dreckigen Klos am Rande von Autobahnen.

„Das würde dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern“, sagt Pawlowski, denn schon jetzt fehlt es der Branche an Arbeitskräften. Bereits jetzt seien 43 Prozent der Dienstleister ausländische Unternehmen, „und die Regierung hilft nicht weiter“

„Wir sind schwer enttäuscht“, sagt er. Der BGL bedauere, dass es notwendig sei, mit lautstarkem Protest auf seine Anliegen aufmerksam zu machen und der einfache Dialog offenbar nicht weiterhelfe. Darum stehen die Transportunternehmen nun mit den Bauern auf der Straße. „Es ist die blanke Existenzwut, die Sie auf der Straße sehen.“

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