Die Mautgebühr für schwere Lkw wird bald deutlich erhöht – um satte 83 Prozent. Das bringt kleine Speditionen in Existenznot. Auch im Handel ist der Aufschrei groß. Beide Branchen sind sich einig, wer die Mehrkosten tragen muss.
Selbst wenn das Jahr schon viele Verteuerungen für Familien und Haushalte gebracht hat, kommt zum Jahresende noch eine weitere hinzu. Und diese Belastung findet bislang kaum Beachtung: die Maut für schwere Lkw. Ab Dezember steigt die Straßennutzungsgebühr für Lastwagen um 83 Prozent, ein halbes Jahr später folgt diese Erhöhung auch für Kleinlaster.
Das bringt zum einen die Speditionsbranche auf die Barrikaden. Die zumeist mittelständischen Betriebe fürchten, die Mauterhöhung nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergeben zu können. Bei Leerfahrten etwa auf dem Weg von der Kundenfahrt zurück zum Betrieb kommt nur der Spediteur selbst für die Mautgebühren auf. Manchen ohnehin klammen Mittelständler kann das rasch die Existenz kosten.
Zum anderen beginnen nun auch Hersteller etwa aus der Getränke- und Nahrungsmittelindustrie mit ihrem Protest. Schließlich werden sie es sein, die die Gebührensteigerung an den Einzelhandel weiterreichen müssen.
„Die anstehende Mauterhöhung müssen wir zu 100 Prozent an unsere Kunden der Lebensmittelproduktion weitergeben. Das wird die Inflation massiv verstärken“, sagt Jes-Christian Hansen, Geschäftsführer der HaBeMA Vertriebsgesellschaft aus Hamburg, die Futtermittel für die Landwirtschaft ausliefert.
„Bei jeder Mauterhöhung können wir einen Teil der gestiegenen Kosten nur schwer umlegen, zum Beispiel bei Leerfahrten in Phasen schwacher Konjunktur“, sagt Lars Soltau, Chef des Transportunternehmens Soltau. Ihr Lobbyverband kontert die Politik des Bundesverkehrsministeriums mit einer Kampagne unter dem Motto: „Mauteverest – so kommen wir nicht über den Berg. Diese Mauterhöhung treibt nur die Inflation an, aber keine Güter“, wie es beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) heißt. Der Bund wiederum erwartet Maut-Mehreinnahmen im Jahr von 7,6 Milliarden Euro, die er in den Ausbau der Güterbahn und des Schienennetzes investieren will.
50 Cent mehr für eine Getränkekiste
Ein konkretes Beispiel der zusätzlichen Belastungen der Haushalte kommt aus der Getränkebranche. „Mit der neuen CO₂-Maut der Ampel-Regierung kann eine Getränkekiste in Deutschland je nach Hersteller und Entfernung zum Absatzgebiet bis zu 50 Cent mehr kosten“, kündigt Markus Rütters, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Getränke-Logistik, gegenüber WELT an.
Gemeint ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Brauereien Veltins und Radeberger mit einer Flotte von 360 Lkw. Seiner Branche werde angesichts extrem niedriger Margen gar nichts anderes übrig bleiben, als die Mehrkosten an die Händler weiterzureichen.
In dem Geschäft geht es um besonders viele Transporte, noch dazu mit einem großen Ladevolumen. Zudem haben Getränke im Verhältnis zu ihrem monetären Wert ein hohes Gewicht. Höhere Logistikkosten schlagen also schnell durch auf die Preise von Wasser, Limonade, Bier und Co.
Dass die Politik die geplante Mauterhöhung als Instrument in Richtung E-Mobilität und damit zu mehr Klimaschutz ankündigt – Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) jedenfalls spricht von einem „starken Anreiz für die Branche, auf klimafreundliche Fahrzeuge umzusteigen“ –, hält Manager Rütters für scheinheilig. „Tatsächlich ist in der Getränkelogistik ein kurzfristiges Ausweichen auf E-Mobilität gegenwärtig gar nicht möglich, denn die Voraussetzungen seitens der Nutzfahrzeugindustrie sind überhaupt noch nicht gegeben“, erklärt der DGL-Chef. Es fehlen schlichtweg Lkw mit Batterieantrieb.
Mauterhöhung könnte zur Existenzfrage werden
Auch im Handel ist der Aufschrei groß. „Wir sind darauf angewiesen, unsere Güter auf der Straße zu transportieren“, sagt Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Eine Verlagerung auf die Schiene sei keine Option angesichts der schlechten Infrastruktur. Laut den Berechnungen des BGA führt die Mauterhöhung zu einer finanziellen Belastung der Unternehmen von bis zu 40.000 Euro pro eingesetztem Lkw.
Zwar fällt die Straßenmaut etwa für Lastwagen mit Elektroantrieb oder Wasserstoffantrieb deutlich niedriger aus. Bei diesen Fahrzeugen gibt es jedoch lange Bestelllisten und Wartezeiten von einem Jahr und länger – oder aber sie sind gar nicht am Markt verfügbar. „Von den rund 800.000 schweren Lkw, die täglich in Deutschland ihre Strecken fahren, sind heute etwa 400 Fahrzeuge mit einem batterieelektrischen Antrieb unterwegs“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL.
Rund 84 Prozent der Güter werden in Deutschland über die Straße transportiert. Täglich ist auf den Autobahnen und Autobahnraststätten zu sehen, wie stark der Lkw den Verkehr dominiert. Ein Ausbau etwa der Raststätten wird seit Jahren gefordert.
Nun werden auch aus der neuen Maut keine Finanzmittel dafür zur Verfügung stehen. Ohnehin dürfte die Mauterhöhung für manche Spedition zur Existenzfrage werden. „Die Gewinnmargen in unserer Branche liegen zwischen weniger als einem Prozent und drei Prozent und das wäre dann schon die Königsklasse“, sagt Engelhardt. Der Umfang der Mautanhebung entspreche vielfach dem gesamten Gewinn eines Transportunternehmens.
Das Speditionsgewerbe in Deutschland wird vom Mittelstand geprägt. Unter den rund 70.000 Fuhrunternehmen sind mehr als zwei Drittel Betriebe mit einem bis zehn Lkw. „Es ist absehbar, dass der benötigte Frachtraum nicht mehr zur Verfügung stehen wird“, sagt Engelhardt. Die Mauterhöhung werde zum „schleichenden Tod des Mittelstands“ im Transportgewerbe führen.
Doppelbelastung durch Anhebung des CO₂-Preises
Aufregung gibt es bei den Kunden der Spediteure jedoch nicht nur auf der Seite des Großhandels. Auch mittelständische Geschäfte üben Kritik an den Wissing-Plänen, zumal ab Mitte nächsten Jahres kleine Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen in die Mautpflicht einbezogen werden.
Eingesetzt werden sie vielfach als Auslieferungsfahrzeuge. „Das zeigt, dass die Bundesregierung vor allem nach Einnahmequellen sucht“, sagt Ulrich Binnebößel, Abteilungsleiter Logistik beim Handelsverband Deutschland (HDE).
Hinzu komme die schon beschlossene Anhebung des CO₂-Preises auf Diesel und Benzin zum Januar 2024. „Dabei hatte die Bundesregierung eine solche Doppelbelastung laut Koalitionsvertrag noch vermeiden wollen“, sagt der Manager. Der HDE fordert daher eine Ausnahme für Fahrzeuge des Einzelhandels – so wie es im Mautgesetz schon für das Handwerk vorgesehen ist.
Fehlender Wille zu mehr Klimaschutz könne der Getränkebranche nicht abgesprochen werden, heißt es zum Beispiel bei Gerolsteiner. „Die Logistik und der Transport unserer Güter sind essenzielle Stellschrauben für unsere Ambitionen, die klimarelevanten Emissionen zu reduzieren“, sagt Ulrich Rust, Geschäftsführer Technik und Logistik des Mineralbrunnens.
Gerolsteiner setze dabei auf den kombinierten Verkehr und Bio-LNG als Antrieb. „Beides wird durch die Novellierung der Maut nicht mit emissionsfreien Lkw gleichgestellt. Für uns als Unternehmen ist das enttäuschend“, sagt Rust.
Entsorgungswirtschaft fordert Politik zur Kursänderung auf
Unterdessen fordert auch die Entsorgungswirtschaft die Politik zur Kursänderung auf. In einem Schreiben an die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages verlangt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung die Aussetzung der Mauterhöhung bis zum Jahr 2027.
Logistische Dienstleistungen spielten in der Industrie eine bedeutende Rolle. „Wir reden hier von einer geplanten Mauterhöhung, die aufgrund der Erhöhung der CO₂-Komponente und weiterer Faktoren auf eine Verdoppelung hinausläuft“, sagt Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Verbands.
Eine Weitergabe der Kosten prognostiziert auch Patrick Lepperhoff, der Experte für Lieferkettenmanagement bei der Beratungsgesellschaft Inverto. „Wir gehen davon aus, dass die Kosten an die Kunden weitergegeben werden“, sagt er. Er rät Händlern und Herstellern zu einer Überprüfung ihrer Logistikketten. Denn ein nachhaltiger Transport senke auch die Mautkosten.