Bei der Planung einer neuen Linie wurden die Toiletten vergessen. Die Busfahrer sind genervt. Das sagt das Busunternehmen.
Ulmer Busfahrer fühlen sich verschaukelt. Sie haben einen Knochenjob, fahren unter anderem Zehn-Stunden-Schichten und gondeln Passagiere von A nach B. Doch zwischendurch mal aufs Klo gehen? Nicht immer möglich. „Wenn ich Pech habe, muss ich in die Flasche pullern‟, sagt einer der betroffenen Busfahrer. Die Klo-Misere geht auch seinen Kollegen gehörig auf den Zeiger.
Planer vergaßen das stille Örtchen
Eng ist es zum Beispiel auf der Linie 36 (Wissenschaftsstadt Ulm – Blaustein – Asch – Bühlenhausen – Berghülen). Sie wird bedient von der RAB, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 wurde die Verbindung neu aufgesetzt. Problem: Die Planer vergaßen das stille Örtchen für die Männer und Frauen hinterm Steuer.
Vor der Umstellung endete die Linie 36 am Ulmer ZOB Ost, wo es eine Toilette für Busfahrer gibt. Neuer Endpunkt: die Manfred-Börner-Straße auf dem Gebiet der Universität am Eselsberg. Klos sind hier Mangelware. Die einzige verbliebene Erleichterungs-Möglichkeit auf der Strecke befindet sich im Rathaus Berghülen, jedoch mit eingeschränkten Öffnungszeiten.
Die Folge, so der betroffene Busfahrer, den die „Schwäbische Zeitung‟ vor wenigen Tagen auf einer Runde begleitet hat: Er und seine Kolleginnen und Kollegen müssten nach Örtlichkeiten in der Landschaft Ausschau halten. Dabei ist das gar nicht erlaubt. Wer als Wildpinkler erwischt wird, muss mit einem Bußgeld rechnen. Doch die RAB lässt ihren Angestellten oft keine andere Wahl.
Es klingt wie ein Witz
Betroffen sind auch Fahrer auf den Linien 37, 38 und 49. Keine Möglichkeit sich zu erleichtern an den Endhaltestellen in Bermaringen, Markbronn und Nellingen.
Was klingt wie ein schlechter Witz, ist bittere Realität. Und es kommt noch schlimmer. Denn ist kein Pinkel-Platz in der freien Natur in Aussicht und es klopft ein dringendes menschliches Bedürfnis an, heißt es: improvisieren. In dieser Not würden männliche Fahrer dann nicht selten zur Flasche greifen, sagt der betroffene Busfahrer. Für seine Kolleginnen aber keine Option. Und brenzlig werde es für alle ohnehin, wenn sich ein größeres Geschäft ankündigt.
Das sagt die RAB
Die RAB mit Sitz in Ulm leugnet die Problematik nicht. „Diese Beschwerden sind uns intern bekannt‟, so ein RAB-Sprecher (Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH). Gemeinsam mit dem Betriebsrat würde man „schon einige Zeit‟ Lösungen suchen. Geprüft würde, ob Busfahrer auf der Linie 36 Toiletten in einem der Uni-Gebäude auf dem Eselsberg nutzen können. Klappt dies nicht, will die RAB bei der Stadt nachfragen, ob man eine mobile Toilette bei der Endhaltestelle aufstellen darf.
Als Not- und Übergangslösung nennt der RAB-Sprecher außerdem eine Toilette in der Ulmer Zentrale. Für den betroffenen Busfahrer jedoch nicht praktikabel: „Bis ich da angekommen bin, ist die halbe Pause schon rum.‟
Anscheinend ein Dauerproblem
Mit dem Toilettennotstand sind er und seine Ulmer Kollegen nicht alleine. Fehlende Klos für Fahrpersonal seien ein „Dauerproblem‟, räumt die RAB ein. Es beschäftige ÖPNV-Unternehmen landauf, landab. An Vorgaben könnten sie sich nicht orientieren. Es gebe keine gesetzliche Regelung.
Grundsätzlich, so die RAB, machten Toiletten nur an Endhaltestellen Sinn, da es hier meist eine gewisses Wartezeit gebe, bis der Folgekurs beginnt. Der RAB-Sprecher: „Hier versuchen wir generell, mit angrenzenden öffentlichen Einrichtungen oder Restaurants und Kneipen Vereinbarungen über eine Toilettennutzung zu treffen.‟ Alternativen seien mobile RAB-Toiletten. Doch die seien nicht überall erlaubt im öffentlichen Raum.
Die Frage, wo sich Busfahrer erleichtern, wird selten erörtert. Doch sie ist nicht trivial. Wer will schon sitzen in einem Bus, dessen Fahrer – wegen des Drucks in der Blase – womöglich gerade anderes im Kopf hat als Vorfahrtsregeln? Ganz zu schweigen von der Zumutung für die Busfahrer.
RAB-Sprecher: „Können Anliegen nachvollziehen‟
Die RAB versichert: Man lasse sein Personal nicht im Stich, auch wenn sich die Toiletten-Frage speziell auf der Linie 36 tatsächlich „etwas kompliziert‟ darstelle. Der Sprecher: „Die Anliegen unseres Fahrpersonals können wir absolut nachvollziehen.‟
Auf die Flasche als letzte Rettung musste der betroffene Busfahrer am Tag, als die „Schwäbische Zeitung‟ ihn begleitete, nicht zurückgreifen. Worauf seine Wahl als stilles Örtchen fiel? „Heute war ich im Wald.‟