Der russische Inlandsgeheimdienst veröffentlicht Dokumente zu einem Lastwagen, der auf der Kertsch-Brücke explodiert sein soll. Doch offenbar handelt es sich dabei um ein anderes Fahrzeug.
Nach der Bombenexplosion auf der Brücke, die das russische Festland mit der von Russland annektierten Krim-Halbinsel verbindet, hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB acht Verdächtige festgenommen und rätselhafte Angaben zu den Ermittlungen gemacht.
Den Ausführungen zufolge hatte ein Lastwagen mit georgischem Nummernschild am 4. Oktober mit verstecktem Sprengstoff die russische Grenze passiert. Am 6. Oktober, zwei Tage vor der Explosion auf der Krim-Brücke, habe das Fahrzeug die Region Krasnodar nahe der Krim erreicht. Der FSB veröffentlichte Röntgenbilder von dem Lastwagen. Die Tagesspiegel-App Aktuelle Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die digitale Zeitung. Hier gratis herunterladen.
Diese stimmten jedoch nicht mit zuvor veröffentlichten Bildern einer Überwachungskamera überein, die den Lkw bei der Inspektion zeigten, schreibt der Journalist Oliver Alexander auf Twitter. Zudem sei das Reserverad am Anhänger anders angebracht als auf den Überwachungsaufnahmen. Die seitliche Stoßstange sei auf dem Röntgenbild gar nicht zu sehen.
„Es wirkt wie ein Versuch, die Tatsache zu vertuschen, dass die hochgejubelten Sicherheitsvorkehrungen an der Brücke in Wirklichkeit genauso inkompetent waren wie der Rest des russischen Militärs“, schreibt Alexander weiter. Die Veröffentlichung dieser Röntgenbilder solle vermutlich nahelegen, dass der Sprengstoff wirklich gut versteckt war, sollte der Lastwagen die Ursache der Explosion gewesen sein.
Lastwagen stimmen nicht überein
In seiner Erklärung zeichnete das FSB laut russischen Nachrichtenagenturen die Route des Sprengstoffs nach: Er war demnach in Paletten mit Plastikfolie mit einem Gesamtgewicht von 22.700 Kilogramm versteckt. Die Ladung habe auf einem Boot den ukrainischen Hafen Odessa in Richtung Bulgarien verlassen. Über den georgischen Hafen Poti sei sie dann über Land durch Armenien und schließlich nach Russland gelangt.
Journalist Alexander ordnet das Röntgenbild einem anderen Lastwagen eines älteren Modells zu. Die Röntgenaufnahme sei wohl beim Grenzübertritt von Georgien nach Russland entstanden. Wagen und Fahrer seien wohlauf, schreibt Alexander. „Da der auf der Brücke ein völlig neuer Lastwagen mit Anhänger war, ist das Röntgenbild bedeutungslos im Hinblick darauf, was sich tatsächlich in dem Lkw befand.“
Das FSB veröffentlichte neben den Röntgenbildern des Lastwagens weitere Dokumente, darunter den angeblichen Lieferschein. „Zum jetzigen Zeitpunkt scheint dieses Dokument nichts mit der FSB-Erzählung zu tun zu haben, da Route, Start und Zielort nichts mit dieser Lieferung zu tun haben“, führt Alexander weiter aus.
Der FSB machte in seiner Erklärung – so wie auch zuvor Präsident Wladimir Putin – den ukrainischen Militärgeheimdienst für den Anschlag auf die Brücke verantwortlich und sprach von einem „terroristischen Angriff“. Die Explosion tötete drei Menschen und löste einen Großbrand aus. Mittlerweile wurde der Verkehr auf der logistisch und symbolisch bedeutsamen Brücke teilweise wieder aufgenommen.
FSB will zwei Anschläge vereitelt haben
Nach Ansicht des FSB koordinierte ein Agent in Kiew den Transport des Sprengstoffs zu seinem Bestimmungsort. Bei den festgenommenen Personen handele es sich um fünf Russen sowie drei Bürger aus der Ukraine und Armenien.
Die Krim-Brücke ist von großer logistischer Bedeutung für Russland. So wird sie für den Transport von Militärausrüstung für russische Soldaten genutzt, die in der Ukraine kämpfen. Darüber hinaus war der Anschlag auf die Brücke von großer Symbolkraft, da Kreml-Chef Putin das Bauwerk 2018, vier Jahre nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, persönlich eingeweiht hatte. Laut Journalist Alexander haben die Reparaturen an der Brücke bereits begonnen.
Der FSB erklärte weiter, er habe zwei von Kiew geplante Angriffe auf russischem Territorium vereitelt: einen in der Nähe von Moskau und einen in Brjansk in der Nähe der Grenze zur Ukraine. Ein 1972 geborener Ukrainer sei festgenommen worden, weil er „Sabotage und terroristische Angriffe“ mit tragbaren Raketenwerfern in der Region Moskau vorbereitet habe.
Zudem nahm der FSB nach eigenen Angaben einen 1967 geborenen Ukrainer fest, der einen Sprengstoffanschlag in einem Logistik-Drehkreuz in Brjansk vorbereitet habe. Nach Angaben des FSB gaben beide Verdächtige bereits die ihnen vorgeworfenen Handlungen zu. Sie arbeiteten mit den Ermittlern zusammen, hieß es weiter.