Immer mehr E-Autos fahren auf Bayerns Straßen. Doch was ist mit dem Lkw-Güterverkehr? Was gibt es dort für Alternativen zum Diesel und sind sie überhaupt schon interessant für Bayerns Spediteure?
Thomas Eberl führt eine Spedition im oberbayerischen Nußdorf bei Traunstein. Ein klassisches Familienunternehmen. In der firmeneigenen Lkw-Flotte befinden sich rund 130 Fahrzeuge und seit Neuestem auch ein Elektro-Modell. Der Lastwagen wird für den Lieferverkehr der Kliniken im Landkreis Traunstein eingesetzt.
Gleichzeitig will Eberl mit dem Projekt auch erste Erfahrungen im Bereich E-Mobilität bei Lastwagen sammeln. Vorteil für den Firmen-Chef: Die Fahrtstrecke ist jeden Tag identisch und daher gut kalkulierbar. „Ich weiß genau, wie viele Berge dabei sind, wie es sich im Sommer mit der Klimaanlage und im Winter mit der Heizung verhält.“ Dafür werden jeden Tag die Daten zum Stromverbrauch des Fahrzeugs notiert, wenn der Lkw zurück in die Firma kommt.
Elektroantrieb für Nahverkehr eine gute Alternative
Circa 150 Kilometer Reichweite hat Eberls Elektro-Lkw. Für die tägliche Tour im Landkreis ist das ausreichend. Geladen wir der Lkw über Nacht auf dem Firmengelände, mit selbst produziertem Solarstrom. Gerade für den Nahverkehr sei das eine gute Lösung, findet Eberl.
Für weitere Strecken oder gar den Fernverkehr kreuz und quer durch Europa sind Elektro-Lkw derzeit dagegen noch ungeeignet. Die Reichweiten sind dafür zu kurz und die Ladezeiten wiederum zu lang.
Das bestätigt auch Professor Hans-Peter Rabl von der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg, der sich intensiv mit alternativen Fahrzeugantrieben beschäftigt. Nachdem man im Fernverkehr die Zeit nutzen müsse, in denen der Fahrer Pause macht, seien schnelle „Tankvorgänge“ wichtig. Das Laden einer Lkw-Batterie dauere da noch zu lange.
Lkw-Bauer MAN setzt auf Elektroantrieb
Der bayerische Lkw-Bauer MAN arbeitet bereits seit einigen Jahren an Lastwagen mit alternativen Antrieben. Derzeit liegt der Fokus auf einem Elektroantrieb. Ein erster Prototyp eines schweren Elektro-Lkw wurde im Februar dieses Jahres vorgestellt. 2024 sollen die ersten Fahrzeuge vom Band laufen.
Das Problem der langen Ladezeiten hat aber auch MAN erkannt. Nils Heine, Leiter des Vertriebs von Lkws mit alternativen Antrieben, zeigt sich aber optimistisch, dass das Problem in den nächsten fünf bis zehn Jahren gelöst werden kann: „Dann kommen Sie von den Tankvorgängen, wenn man in dem alten Wording bleiben will, dichter an ein mit Diesel betriebenes Fahrzeug ran, als man sich das heute vorstellen kann.“
Wasserstoff eine Alternative für Lkw?
Auch wenn der Fokus bei MAN auf dem Thema E-Mobilität liegt, wird auch weiter im Bereich Wasserstoff-Antriebe geforscht. Bis 2030 sehe man derzeit aber keinen großen Run auf Wasserstoff-Lkw voraus, so Heine.
In der Schweiz seien Wasserstoff-Lkw schon relativ weit verbreitet, berichtet Spediteur Eberl. Nachdem seine Firma selbst viel in der Schweiz unterwegs ist, hat er sich vor einiger Zeit schon einmal informiert, ob ein Lkw mit Wasserstoff für ihn interessant sein könnte. Doch schnell stieß er auf ein Problem. Er kommt zwar mit dem Lkw von der Schweiz bis zu seiner Firma ins Chiemgau, doch dort gibt es keine Tankstelle, wo er den Lkw auftanken könnte. Die nächstgelegene Lkw-Tankstelle für Wasserstoff befinde sich in Erlangen, berichtet Eberl.
Tank- und Ladeinfrastruktur als „Knackpunkt“
In einem Punkt sind sich Spediteure, Industrie und auch die Wissenschaft einig. Die Verkehrswende im Lkw-Bereich kann nur erfolgreich sein, wenn auch die Treibstoff-Infrastruktur vorhanden ist. „Wir brauchen nicht nur den Antrieb, sondern auch die Distribution des Energieträgers. Egal, ob das Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe oder die Elektrizität ist“, sagt Rabl. Der Aufbau dieser Infrastruktur müsse zudem europaweit koordiniert erfolgen, denn der Fernverkehr mache nicht an Grenzen halt. „Das ist ein Marathonlauf, bei dem man sofort loslegen muss“, betont der Regensburger Forscher.
Für Rabl schließen sich die verschiedenen Antriebskonzepte nicht aus. Er ist davon überzeugt, dass sowohl Elektroantrieb, Wasserstoff und auch synthetische Kraftstoffe im Güterverkehr der Zukunft eine Rolle spielen werden. Deshalb sei es wichtig, gerade beim Ausbau der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur auch alle drei Pfade zu verfolgen. Bei schweren Baumaschinen sei es für ihn zum Beispiel schwer vorstellbar, dass diese in Zukunft elektrisch angetrieben würden, wohingegen Lkw im Nah- und Verteilerverkehr die Vorteile der E-Mobilität mit Sicherheit nutzen werden, zeigt sich Rabl überzeugt.
Verunsicherung bei Bayerns Spediteuren
Heine von MAN berichtet von verunsicherten Kunden. „Viele fragen sich: Auf welche Technologie soll ich setzen?“ Das sei wirklich eine Schwierigkeit und jedes Unternehmen müsse selbst für sich entscheiden, was für sein Tätigkeitsprofil Sinn mache. Er sei davon überzeugt, dass es Bereiche gebe, die erst sehr spät aus dem Verbrenner ausstiegen, aber eben auch Bereiche, die sehr früh bereits in die E-Mobilität einsteigen. Die Frage der Zukunft sowohl für Spediteure als auch die Fahrzeugindustrie sei, wie viele Systeme man sich parallel leisten könne und wolle.
Mittelständische, bayerische Spediteure wie Eberl stellen sich genau diese Fragen. Bei ihnen kommt noch erschwerend hinzu, dass die Lastwagen auch Investitionsgüter sind, deren Wiederverkauf von Vornherein fest eingeplant ist. Deshalb ist das Risiko, „aufs falsche Pferd zu setzen“, für Eberl sehr groß. So hätten Kollegen von ihm Teile ihrer Fahrzeugflotte vor einiger Zeit auf Gas-Antrieb umgerüstet. Weniger aus Klimaschutzgesichtspunkten, sondern weil es schlicht und ergreifend günstiger war.
Elektro, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe, Diesel: Künftig ein Mix von Antrieben
Durch die aktuell hohen Gaspreise stehen die Lkw nun auf den Betriebshöfen der Speditionen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten. Ein Verkauf sei aber auch nicht möglich. „Das ist totes Kapital“, konstatiert Eberl. Solche Situationen will er auf jeden Fall vermeiden und wird deshalb weiter nur dort auf alternative Antriebe setzen, wo es für sein Unternehmen wirtschaftlich Sinn macht.
Auch er glaubt, dass die Zukunft in einem Mix von Antrieben für verschiedene Einsatzzwecke liegen wird: Elektro, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe und in näherer Zukunft vor allem auch noch Diesel.